Bevor die Kinder da waren, bedeutete Reisen für mich Ausschlafen, Chillen, Lesen, schöne Cafés und Restaurants besuchen, viele Kaltgetränke schlürfen, ohne Zeitlimit in Bars oder Clubs abhängen, braun werden...all so Zeug. Nachdem unser erstes Kind geboren war, war ich noch von dem Irrglauben gejagt, daran würde sich gar nicht all zu viel ändern. Bis auf die Bars und Clubs und die vielen Kaltgetränke natürlich. Doch dann wurde mir bewusst, dass Reisen mit Kind eine völlig andere Farbe hat als Reisen ohne Kind! Im Grunde nämlich dieselbe Farbe wie das Zuhausesein! Denn Reisen mit einem kleinen Kind ist eigentlich einfach nur ein Ortswechsel! Ein Ortswechsel mit exakt demselben Ablauf wie zu hause. Früh aufstehen, sehr schnell das genau passende Essen beschaffen, immer wieder Essen beschaffen, Kind in den Schlaf befördern, Kind nicht ablegen können, Kind im Schatten haben, also kein braun werden. Restaurantbesuch stehend und sehr kurz. Die wenigen Kaltgetränke runterstürzend. Lesen nur Whatsapps, keine Bücher. Cafés eher nicht. Chillen sowieso nicht. Joa. Ich sag ja, ein Ortswechsel halt. Als die Kleine älter wurde, kam die zweite Kleine dazu. Ich hatte mich langsam an das Ortswechsel-Urlaubsgefühl gewöhnt, wir suchten uns nun einfach erstmal entspanntere Orte aus. Schöne Unterkünfte mit viel Platz. Und guter Aussicht. Mit großen Betten und Kinderstühlen. Prioritäten ändern sich.
Letzte Woche hatten wir allerdings endlich mal wieder einen Städtetrip geplant. Mit nur einem Kind haben wir das oft gemacht, wir waren in Freiburg, Avignon, Barcelona, Paris, Berlin, Amsterdam, Gent, Santiago de Compostela, Bordeaux...wir waren richtig motiviert! Aber wie gesagt, die Motivation wurde ein bisschen von der Anstrengung verschluckt, die diese Trips mit Kind so mit sich brachten. Doch nun war es mal wieder soweit, wir wollten Freunde und Verwandte besuchen, der harte Lockdown is over, wir wollten wieder los! Aber auch jetzt, mit einer 8 und einer 3jährigen muss ich sagen: Es ist ein bisschen wie Sauna ohne Aufguss. Wir brauchten für eine Strecke von 300km 6 Std. OHNE Stau. Der erste Halt war bereits an den Hamburger Landungsbrücken. Bauchweh, ich muss kotzen, ich muss Pipi. Weitere Pausen folgten, das obligatorische Happy Meal auf irgend einem Autohof, Kacka machen mit Hochhalten in den Büschen Zarrentins, Eis und klebrige Finger zur Besänftigung in Neuruppin. Ja, es war bereits dunkel, als wir ankamen in unserer hippen Remise in Pankow. Welche nach dem Auspacken unserer Sachen (Roller, Helme, eine Tasche mit Kissen und Kuscheltieren, Klamotten für alle, sehr viele unterschiedliche Jacken, eine Kaffeemaschine, Milch, ein Wasserkocher, Kulturtaschen, Wasserflaschen, Essen und zwei Kinderkoffer mit Spielsachen) unserem eigenen Zuhause irgendwie ähnelte. Weniger Zeug hätten wir für 3 Wochen auch nicht gebraucht, aber es ist wahr: wir haben alles benutzt!
Wir hatten zwei schöne Tage bei lieben Menschen in der Hauptstadt, wir sind super froh, es gemacht zu haben. ABER: Als wir auf der Rückfahrt waren, musste ich auf einmal grinsen. Früher hatte ich am Abreisetag Kopfschmerzen von dem letzen Bier, jetzt hatte ich eher das Gefühl, ich bräuchte ganz dringend eins. Denn mir wurde wieder bewusst, dass man mit kleinen Kindern einfach nicht stillsteht. Völlig egal, wo man ist. 30 mal "wann sind wir da?" auf dem Weg von Pankow nach Wilmersdorf, Vermittlungsversuche beim Aufeinanderprallen unterschiedlicher kindlicher Vorstellungen, Wutanfall im Frühstückslokal, SOFORT Pipi machen müssen bei den Gedenktafeln an der Berliner Mauer, und und und. Ihr Eltern wisst, was ich meine. Tatsächlich, wie Sauna ohne Aufguss. Statt bis nachts zusammen zu sitzen, mussten wir um 19Uhr los, weil Aufregung auf Müdigkeit traf. Den Wein in der kleinen Bar vor unserer Remise habe ich nicht mehr getrunken, weil es schon zu spät war. Klingt verrückt, aber ich bin trotzdem froh, es mal wieder gemacht zu haben. Und ich weiß, in ein paar Jahren sieht das alles schon ganz anders aus. In 5 Jahren haben wir kein Kleinkind mehr, sondern eine 8 und eine 13jährige. Da werden wir wahrscheinlich zusammen ins Kino gehen, auch mal was getrennt machen, alle bis 11Uhr schlafen. Manchmal finde ich es schade, dass diese Kleinkindzeit oft so anstrengend ist, dass man sie kaum genießen kann. Ich mache das ehrlich gesagt nachts dafür um so mehr. Wenn die 3jährige ihre kalten Füße an mich kuschelt. Und ich bin dankbar für die kleinen Momente, in denen die beiden gemeinsam spielen und lachen und wir ein Stüdchen haben, in dem wir ungestört auf der Couch liegen und schnacken. Und ich genieße den Gedanken, dass wir 4 eine Familie sind und gerade einen besonderen Ausflug zusammen machen, an den wir uns immer erinnern werden. Dass unsere Kinder den Kontakt zu den Kindern unserer Lieben in den anderen Städten nicht verlieren. Dass wir unseren Kindern die Welt zeigen. Auch wenn es nicht so chillig ist, wie es ohne sie war, ist es toll. Auch wenn wir Rückenschmerzen haben vom Kinder und Rucksäcke schleppen. Es ist toll, gemeinsam etwas zu erleben und mal aus seiner Komfortzone rauszutreten. Wir machen es wieder, nächstes Jahr kommt die nächste große Stadt, welche wissen wir noch nicht, aber sie wird definitiv mal wieder irgendwo im Süden sein. Scheiß auf den Aufguss, Hauptsache Sauna!