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Alte Gefühle kommen hoch: der Lockdown erinnert an die Elternzeit

Keine Zeit für mich, immer online für die Kids - ständig will einer was von mir, soll ich gucken, helfen, trösten, Streit schlichten,  Essen machen, Fragen beantworten, Geschichten hören, Geschichten erzählen, mir Wünsche anhören...für das Mittagessen, den Nachtisch, das Fernsehprogramm, zu Ostern, zu Weihnachten, zum übernächsten Geburtstag.

Am Ende des Tages ersetzen Kopfschmerzen und Muskelkater die mittlerweile viel zu spät schlafenden Kinder, und ich frage mich: Was stelle ich an mit der einen Stunde, die ich nun habe? Die Antwort lautet: Ich gucke Trash-TV! Zu was anderem kann ich mich gar nicht mehr aufraffen. 

 

So isser für mich als Mama von zwei Kindern, der Lockdown. Der Lockdown, der seit über einem Jahr nicht wirklich endet. So sehr ich meine beiden Mädchen auch liebe, diese Zeit ist anstrengend. Sie nervt. Die Kinder nerven! Ohne dass sie überhaupt etwas dafür können! Sie sind halt einfach wie Kinder so sind. Mit 2 und 7 Jahren. Sie wollen experimentieren, sich reiben, Dinge austesten, alles lernen, sich bewegen, reden, schreien, singen, toben. Sie machen keinen Hehl aus ihren Launen und ihren Wünschen. Sie tragen alles in die Welt hinaus. Das ist auch gut so! Aber...diese Welt bin ICH...seit über einem Jahr bin ich fast ausschließlich diese Welt, in die diese beiden süßen Kinder alles das hinaus tragen. Und ich stelle fest: in dieser Welt ist kein Platz für mich selbst. Ich habe überhaupt keine Zeit für meine Sachen. Alles was ich tue, wird von ihnen gecrashed. Telefonate, Einkäufe, Arbeit, Lesen, Yoga...eigentlich alles. Und mir fehlen meine Sachen! Als mir das klar wurde, fiel mir auf, wie sehr mich dieser Zustand an die Elternzeit erinnert. An die Zeit zwischen den Geburten und der Kita. Da war es ähnlich. Ich fühlte mich auf der einen Seite so unendlich glücklich und dankbar, auf der anderen Seite aber auch komplett fremdbestimmt, ausgelaugt und weit ab davon, mich selbst zu spüren. Das, was ich gespürt hatte, das waren meine Kinder. Wie geht es ihnen, haben sie Hunger, Angst, Durst, sind sie zufrieden, glücklich, fühlen sie sich sicher und geborgen. Genau so ist es jetzt wieder. Der ganze Tag dreht sich nur um sie. Ohne Pause. Ohne Me-Time. Wieder muss für einen Zahnarzttermin der Mann gebeten werden, eine Stunde von der Arbeit fern zu bleiben, um die Kinder zu übernehmen. Wieder breitet sich elendige Hektik beim Einkaufen aus, weil die Kinder 3/4 des Ladens bereits ausgewickelt haben oder den Griff des Einkaufswagens abschlecken. Wieder ähnelt mein Körper einem alten Lappen, der in der Waschmaschine vergessen wurde...steif und nicht so richtig wohlriechend.

 

Puh! Letztes Jahr war der Lockdown neu, wir spielten uns gut ein, hofften, gesund zu bleiben, niemanden unbemerkt anzustecken, nähten schicke Masken und freuten uns auf das "Danach". Ich war motiviert und fühlte mich wie eine Löwenmutter. Ich ersetzte den Morgenkreis aus der Kita, machte Homeschooling, kochte abwechslungsreiches Essen, sorgte für Bewegung, frische Luft und co. Mittags machte ich meine Telefonberatungen. Ich fühlte mich wie Superwoman in der Pandemie! Auch das erinnert an die erste Zeit mit Baby: der Anfang ist aufregend und neu, man sucht Struktur, baut eine Beziehung auf, fuchst sich in Tragesysteme, Stillprozesse, Kindersitze, Beikost und Impfpläne ein. Die Mama, die der Experte für ihr Baby wird! Doch irgendwann...Monate später...setzt die Sehnsucht nach sich selbst ein. Nach Dehnung der Wirbelsäule beim Yoga. Nach einer Mittagspause mit netten Kollegen. Einer Autofahrt mit Händen am Steuer statt in Brotdosen auf der Rückbank. Und das ist gut! Es ist gesund! Es gibt dem Kleinkind die Möglichkeit, flügge werden zu dürfen, eigene Erfahrungen machen zu können. Sich zu lösen. Ein gesunder und liebevoller Prozess, in dem Mutter und Kind einander lieben und sich dennoch auch sich selbst widmen können. 

 

Wie ist das aber jetzt? Wann hört sie auf, die Lockdown-Elternzeit? Wann dürfen die Kinder sich wieder eigenständig entwickeln, und wann dürfen wir Mütter wieder Frauen sein? Wann können wir wieder den Schleudergang anschmeißen für den vergessenen  Lappen in der Waschmaschine? Bald. Vielleicht in 2 Monaten. Vielleicht in 4. Aber der Tag wird kommen. Und dann blicken wir zurück auf diese Zeit, die wir gemeinsam mit unseren Kindern durchlebt haben. Und wir werden sehen, wie besonders diese Zeit war. Sie war authentisch, gefüllt von allen Emotionen: Von Liebe, Wut, Traurigkeit, Euphorie, Vorfreude, Angst, Langeweile, Dankbarkeit...und eben auch blank liegenden Nerven. Unsere Kinder werden so viel gelernt haben über Beziehungen, Gefühle, das Miteinander. Und wir alle werden die normalen autarken Prozesse des Alltags wieder viel mehr zu schätzen wissen. Wir werden unsere Kinder noch intensiver kennengelernt haben...und sie uns. Sie werden so viel Zeit mit ihren Geschwistern verbracht haben, wie vorher lange keine Generation mehr.

 

Am Ende werden wir auf eine Zeit zurück blicken, die uns alle an unsere Grenzen geführt hat. Die extrem gefühlsintensiv war. Die uns verbindet, obwohl sie uns manchmal hat glauben lassen, dass sie uns trennt. Und die irgendwann vorbei ist. Und nicht wiederkommen wird. Wie die Elternzeit.